Mit etwas Abstand betrachtet, fällt es oft leichter, die Dinge klar zu sehen. Das kennt vermutlich jeder. Auf Abstand gehen, soziale Distanz zu halten ist etwas, das in unseren Kulturkreisen eher ungewohnt ist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was das in Zeiten von Corona bei vielen auslöst. Ist es nicht gerade Nähe, die uns Sicherheit gibt? Die Nähe als Baby zur Mutter, die uns ruhig werden lässt? Wie geht man im Yoga mit Abstand um?
Abstand in sozialen Netzwerken? Fehlanzeige
Ich beobachte dieser Tage, wie einige Menschen in den sozialen Netzwerken gegeneinanderhetzen. Da geht es um verschiedene Dinge. Aber letztlich ist das Muster dasselbe: Jemand positioniert sich mit seiner Meinung und andere fallen sofort wie die Geier auf diese Person ein. Weil sie anderer Meinung sind; weil sie sich persönlich angegriffen fühlen; weil sie sich unbewusst getriggert fühlen. Die Gründe sind vielfältig.
Abstand halten gilt hier anscheinend nicht. Dabei würde dem sozialen Miteinander ein gewisses Abstand-Halten im Sinne von „ich lasse das erstmal wirken, denke drüber nach und antworte erst dann“ guttun.
Im Yoga üben wir uns genau darin. Von unseren Gedanken Abstand zu nehmen. Uns für einen Moment von unseren Gedanken zu distanzieren. Um unsere Gedanken mit etwas Abstand zu betrachten.
Wer ist eigentlich dieser Beobachter, von dem alle reden?
Hier kommt der Beobachter ins Spiel: Denn, es gibt jemanden in uns, der beobachtet. Das bist Du, der Beobachter. Es ist der machtvolle Teil in dir, der nur in der Gegenwart existiert. Denn, derjenige Teil von dir, der sich in seinen Gedanken, Selbstgesprächen und Grübeleien verstrickt, steckt fest in der Vergangenheit oder in einer vorgestellten Zukunft. „Hätte ich…“ oder „was ist wenn…“.
In der Philosophie des Yoga wird das als die Ursache allen Leidens verstanden. Dieses zu sehr verhaftet sein mit uns selbst oder mit unseren Gedanken, Sichtweisen, Meinungen oder Gewohnheiten. Keinen Abstand zu diesen Dingen zu haben.
Siehst du die Dinge, so wie sie sind?
Das Yoga Sutra empfiehlt: Einen Moment innehalten. Lernen, in einen Abstand zu kommen und mit diesem Abstand auf die Dinge zu schauen. Denn, was macht das mit uns: Wir verändern kurzzeitig unsere Perspektive. Handeln nicht mehr aus einer verletzten Vergangenheit oder unsicheren Zukunft heraus, sondern aus dem Moment. Das Handeln wird überlegter und ruhiger. Unsere Entscheidung besser oder angemessener.
Ich kann mich also in diesen Abstand bringen und spüren: Was macht das mit mir? Ist mein Handeln so wie es ist, gut? Kann ich so weitermachen? Brauche ich eine Kurskorrektur?
Abstand schafft Klarheit. Klarheit in Bezug auf das, was mich treibt und lenkt und damit auf mein Handeln und Entscheiden.
Hast du deinen Beobachter schon kennengelernt?